In einem neuen Urteil hat das Kölner Landgericht die Beschneidung von Jungen aus religiösen Motiven als vorsätzliche Körperverletzung gewertet und damit festgestellt, dass Beschneidung von Jungen ungeachtet des Wunsches der Eltern und ungeachtet der religiösen Motivation strafbar ist. Hintergrund der Entscheidung war die Beschneidung eines muslimischen Jungen durch einen Arzt, der auf den Wunsch der Eltern den ärztlichen Eingriff vorgenommen hatte. Der Arzt wurde wegen Körperverletzung angeklagt. Das Amtsgericht Köln hatte den Arzt in I. Instanz wegen des Vorliegens der Einwilligung der Eltern in die Beschneidung freigesprochen, was das Landgericht im Ergebnis bestätigte: Denn nach der Meinung der Berufungsrichter sei sich der Arzt über das Unrecht der Beschneidung wegen der bislang ungewissen Rechtslage nicht bewusst gewesen und habe sich in einem unvermeidbaren Verbotsirrtum befunden. Allerdings stellte das Landgericht fest, dass eine Beschneidung als Körperverletzung zu werten ist.
Das Landgericht bejahte also die Strafbarkeit der Beschneidung als vorsätzliche Körperverletzung, da die Beschneidung mit irreparablen Folgen für den Jungen verbunden sei und das Selbstbestimmungsrecht des Kindes durch den Eingriff erheblich verletzt. Das Entscheidende an diesem Urteil ist, dass nach der Rechtsauffassung des Landgerichts das Selbstbestimmungsrechts des Kindes als höherrangig zu werten ist sowohl gegenüber der Religionsfreiheit als auch gegenüber der Entscheidung der Eltern, die über ihre Kinder in dieser Hinsicht nicht frei entscheiden dürfen.
Das Urteil der Kölner Landgerichts hat allerdings keine Bindungswirkung für andere Gerichte, das heißt, andere deutsche Gerichte können also durchaus nach wie vor die Beschneidung eines Kindes im Auftrag der Eltern als straflosen ärztlichen Eingriff werten. Erst eine höchstrichterliche Entscheidung kann hier endgültig klare Verhältnisse schaffen. Vor diesem Hintergrund ist es schwer nachvollziehbar, warum die Staatsanwaltschaft Köln das freisprechende Urteil des Landgerichts nicht als Anlaß genommen hat, in Revision zu gehen und das Oberlandesgericht um eine Entscheidung zu bitten.