Die Besitzerin einer Bäckerei in München, eine türkische Staatsangehörige, hatte lange Zeit Tag für Tag und Monat für Monat gefälligkeitshalber für ihre Nachbarn Postpakete angenommen, wenn die nicht zu Hause waren. Als ein entfernt Bekannter zu ihr kam und sie fragte, ob sie auch für ihn Pakete annehmen würde, sagte sie natürlich ja. Gleich darauf waren vom Paketdienst Sendungen in ihre Bäckerei gebracht worden, die der Bekannte dann abholte. Das ging so eine Zeitlang, bis im Laden zwei Herren auftauchten, die sich als Polizeibeamte auswiesen und die Frau zu dem Bekannten befragten und sie darüber informierten, dass gegen den Bekannten wegen betrügerischer Bestellungen ermittelt würde. Nach den nur sehr dürftigen Informationen der beiden Beamten habe der flüchtige Bekannte unter dem Namen von Toten Handy-Bestellungen getätigt und diese in die Bäckerei liefern lassen. Diese habe er dann sofort verkauft, bezahlt worden sei natürlich nie etwas, die Rechnungen seien ja an Tote gegangen.
Die Frau hatte den beiden Beamten alle Auskünfte bereitwillig erteilt, selbstredend hatte keiner der Herren die Frau, – die ja keine Juristin, sondern eben Inhaberin einer Bäckerei ist, – darüber belehrt, dass sie Aussagen auch verweigern könne unter Berufung auf die Strafprozessordnung. Kurz nach diesem ersten Besuch erhielt die Inhaberin dann auch eine Ladung der Polizei, die sich Ladung zur Zeugenvernehmung nannte. Dieser Ladung leistete die Frau Folge, machte auch hier bereitwillig Angaben und erzählte der Polizei das Wenige, was sie über den Bekannten wusste, den sie nur entfernt kannte. Dieser Bekannte war inzwischen von der Bildfläche verschwunden, er sitzt in Haft, wie sich inzwischen herausstellte.
Diese Woche schließlich kam Post von der Polizei, die für einen in diesen Dingen etwas Erfahreneren bereits absehbar gewesen wäre, denn sie enthielt eine Ladung zu einer Beschuldigtenvernehmung. Die Frau (Verteidiger RA Florian Schneider) war plötzlich also selbst zur Beschuldigten geworden und ins Visier der Ermittler geraten. Jetzt ist ihr auch klar, dass sie besser nicht so unbefangen mit der Polizei gesprochen hätte. Denn ihre beiden Aussagen als Zeugin werden natürlich voll gegen sie verwendet werden und die Polizei wird natürlich jeden Beweis dafür beibringen, dass sie die Frau korrekt belehrt hatte über deren Aussageverweigerungsrecht als Zeugin, – wie sie das (angeblich) ja immer tue! Nur dummerweise scheinen diese sogenannten Belehrungen gerade bei juristisch nicht so erfahrenen Menschen nicht so recht anzukommen, denn meist ist Keinem bewußt, dass er sich mit seinen offenherzigen Angaben um Kopf und Kragen redet, wenn er etwas sagt. Das Ergebnis sind dann immer dicke Probleme, die man als Beschuldigter später hat. Nach den Erfahrungen in meiner Kanzlei werden derartige Ladungen zu Zeugenvernehmungen von der Polizei gezielt eingesetzt, um an Aussagen zu kommen, die man anders nicht kriegen würde. Hat man dann die gewünschten Aussagen folgt die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens, der sogenannte Zeuge ist nun plötzlich selbst Beschuldigter und kann nun sehen, wie er aus seinen eigenen unbefangenen Aussagen wieder herauskommt..