Haftbefehl für Stalking
Ein etwa sechzig Jahre alter Mann wurde soeben von der Polizei verhaftet. Begründung: Er habe in den letzten Wochen mehreren Frauen Zettel vor die Wohnungstüren gelegt, die heftige sexuelle Sprüche und krasse Beleidigungen enthielten. Verwunderlich ist, dass ihm die Frauen fast alle weitgehend unbekannt waren. Die reagierten nicht nur geschockt, sondern vor allem erschreckt. Der Tatvorwurf lautet also auf Nachstellung und Beleidigung. Das Amtsgericht München erließ daraufhin einen Haftbefehl gegen den Beschuldigten mit der Begründung, der Tatnachweis sei wegen der vorliegenden Zettel so gut wie geführt und Haftgrund sei Fluchtgefahr. Haftgrund der Fluchtgefahr ergibt sich im vorliegenden Fall daraus, dass der Beschuldigte wohnsitzlos ist und in der letzten Zeit lediglich im Obdachlosenasyl in der Pilgersheimerstrasse genächtigt hat. Da er vielfach vorbestraft ist wurde von der Ermittlungsrichterin am Amtsgericht München ohne großes Federlesen die Fluchtgefahr bejaht.
Der Beschuldigte selbst bestreitet den Tatvorwurf nicht. Er hat bereits einen erheblichen Teil seines Lebens im Knast verbracht. Auch so banal erscheinender Tatvorwürfe wie Beleidigung und Nachstellung, – also Stalking, – können daher nicht nur einen Haftbefehl zur Folge haben, sondern durchaus in eine unbedingte Freiheitsstrafe münden.
Der Beschuldigte muss sich nun als erstes darum bemühen, für den Richter eine Erklärung für sein Verhalten zu finden, und dann hoffen, dass ihm das Amtsgericht München die verbüßte Untersuchungshaft bei der Berechnung der Freiheitsstrafe so anrechnet, daß er zumindest nach der Urteilsverkündung wieder raus kommt.