Keine Notwehr trotz Angriffs
Warten auf die S-Bahn mit Folgen: Nur noch kurz Eine rauchen und dann zur S-Bahn ins Münchener Umland, so dachten es sich ein 25-Jähriger und seine Freundin vor ziemlich genau einem Jahr, als sie am Wochenende in München weggegangen waren und kurz nach Mitternacht nach Hause wollten. Die Zigarette unter dem sog. „Schwammerl“ vor dem Münchner Hauptbahnhof wollte schon bald nicht mehr schmecken, als andere Herumstehende die Freundin anpöbelten und deshalb Gerangel und Geschubse entstand. Als der 25-jährige Gerüstbauer von dem Einen mit einem großen Hund bedroht wurde und ein Anderer ihn auch noch trat schlug er zu und verpaßte dem Treter einen Schlag ins Gesicht, zumal auch noch Drohungen kamen und er weiteren Übergriffen gerade gegen seine Freundin vorbeugen wollte. Die inzwischen aufgetauchte Bundespolizei versuchte die verschiedenen Straftaten aufzuklären und kam zum Ergebnis, dass der 25-Jährige als Täter einer vorsätzlichen Körperverletzung zu identifizieren ist. Dies, obwohl sämtliche Umstehenden angaben, nix gesehen zu haben und der Kontrahent des Gerüstbauers selbst sagte, an einer Strafverfolgung kein Interesse zu haben. Allerdings gabs natürlich vor dem Hauptbahnhof eine Kamera, die die Polizei zu Rate ziehen konnte und die tatsächlich einen Schlag des Gerüstbauers gegen seinen Widersacher aufgezeichnet hatte. Aber natürlich nur diesen Schlag: zur Vorgeschichte konnte die Kamera nix beitragen. Die Staatsanwaltschaft klagte den vielfach vorbestraften 25-Jährigen an, die Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht zog sich über drei Gerichtstage und mehrere Wochen hin und keiner der Zeugen wollte irgendwas gesehen haben, – weder einen Schlag, noch einen Angriff! So blieb es beim Video vom Bahnhofsvorplatz als einzigem Beweismittel: die Staatsanwaltschaft beantragte eine unbedingte Haftstrafe gegen den Angeklagten, der Verteidiger (RA Florian Schneider) Freispruch. Das Amtsgericht wollte zwar an die Notwehrlage nicht glauben, fand aber auch den Schlag nicht so dramatisch, und verhängte eine moderate Geldstrafe von € 3.600 wegen vorsätzlicher Körperverletzung.