Gewahrsam nach PAG. So lauten in Zeiten wie diesen die Geschichten, die Corona schreibt. Eine Allgäuerin will mit ihren drei erwachsenen Kindern über Ostern nach Asien verreisen. Die COVID-19-Pandemie macht diesen Plan zunichte. Noch während beratschlagt wird, was man alternativ tun soll, erkrankt die Frau und wird positiv getestet. Ihr Lebensgefährte und eines der beiden Kinder ebenso. Wollte sie eigentlich mit ihren Kindern das Haus verlassen und zu einem der Kinder in die Wohnung fahren, um dort Ostern zu verbringen, heißt es plötzlich Quarantäne für alle. Keiner darf mehr das Haus verlassen. Das Unglück nimmt seinen Lauf.
Der Freund der Mutter kommt überhaupt nicht klar damit, dass er mit den 3 erwachsenen Kindern seiner Lebensgefährtin die Feiertage im gemeinsamen Haus verbringen muss.
Er habe seinen Freiraum verloren, er wisse nicht mehr wohin, so läßt er sich vernehmen. Denn Quarantäne hieß ja, so erinnern wir uns, dass alle im Haus bleiben müssen. Noch nicht einmal einkaufen gehen oder einen Spaziergang machen war erlaubt. Der Freund der Allgäuerin reibt sich immer mehr an den drei Kindern.
Während die Mutter und ihre drei Kinder noch ganz gut klar kommen dreht der Lebensgefährte der Mutter nur noch hohl.
Schubsereien, Beleidigungen, Drohungen, kleine und große Gemeinheiten. Die Situation wird immer unerträglicher. Der Lebensgefährte ist schon lange psychisch angeschlagen, er hatte im Jahr zuvor einen Burn Out zu bewältigen gehabt. Die Polizei hat ihren ersten Einsatz an Karfreitag:
Der Freund der Mutter geht mit einem Küchenmesser auf die älteste Tochter los und verletzt sie.
Er wird endlich in die Klappse eingeliefert, wo er wohl auch hingehört, seine Freundin macht aber einen Rückzieher und erreicht seine Freilassung aus der Klinik. Dies war wohl der entscheidende Fehler. Wäre der Mann in der Klinik geblieben, wäre eigentlich alles gut gewesen. Denn er wäre psychiatrisch behandelt worden und die Familie hätte ihre Ruhe gehabt. Nun ist er aber in der Nacht von Karfreitag auf Karsamstag wieder zurück im Horrorhaus und alles wird noch schlimmer als zuvor.
Da er sich nicht mehr anders zu helfen weiß schwärzt der Lebensgefährte die Familie beim Gesundheitsamt damit an, dass die Vier angeblich ständig gegen die Quarantäne verstießen und ihn sogar mit dem Tode bedrohten.
Er behauptet, die 4 hätten entgegen ihren Quarantänevorschriften Gäste auf ihrer Terrasse empfangen. Dies zeigt der Lebensgefährte beim Gesundheitsamt an. Wahrheitswidrig! Eine eindeutige Straftat. Falsche Verdächtigung in Tateinheit mit mittelbarer Freiheitsberaubung! So nennt man seine falschen Anschuldigungen im Strafrecht.
Denn nicht die Frau oder ihre drei Kinder hatten gegen die Quarantäne-Vorschriften verstoßen, sondern der Denunziant selbst.
Er selbst ist es, der täglich mehrmals das Haus zu verläßt und trotz seiner positiven Testung draußen herum läuft, um sich Erleichterung zu verschaffen. Und zwar jeden Tag ganztägig. Spaziergänge, Radfahren, etc. Einen anderen Ausweg aus seinem Streß findet er wohl nicht. Die Polizei erscheint erneut. Das Allgäuer Gesundheitsamt, bei dem der Lebensgefährte die Familie angeschwärzt hatte, verständigt sofort die Polizei.
Nun heißt es Gewahrsam nach PAG. Am späten Karsamstagabend erscheinen voll vermummte Beamte der Polizei und verhaften die Frau und ihre drei Kinder.
Die Polizei diskutiert nicht, keiner der Vier erfährt, was los ist und warum sie an Ostern in Gewahrsam gehen müssen. Entsprechend groß ist die Aufregung bei den Vier. Keiner spricht mit ihnen, sie werden einfach nur inhaftiert. Es gibt Ärger bei der Ingewahrsamnahme zwischen den Beamten und der Familie, weil keiner was erklärt und die Vier nicht wissen, was los ist. Von den Anschuldigungen erfahren sie erst später. Über die Ostertage heißt’s erstmal Schnauze halten und ab in die Zelle.
Gewahrsam nach PAG heißt in Corona-Zeiten wohl auch, dass es in den Haftzellen der Polizeiinspektionen noch nicht einmal eine warme Decke gibt.
Trotzdem werden die Vier ausgezogen bis auf die Unterhosen. Dass zwei der Vier an COVID-19 erkrankt sind schert die Beamten nicht. Die haben selbst Angst vor Corona. Zu trinken gibt’s erst nach langem Betteln.
Und einen Anruf beim Anwalt gibt’s sowieso nicht!
Denn für einen solchen Anruf würde die Polizei ja riskieren, dass sich ja das Virus über den Telefonhörer verbreitet. Da hilft dann kein Bitten und kein Betteln. War da was? Menschenrechte? Grundrechte? Nix da! Eine der beiden erwachsenen Töchter der Frau kriegt irgendwie durch die Zellentüre ihr Handy zu fassen und erreicht den Papa. Der alarmiert an Ostersonntag sofort über den Verteidigernotruf 0162 – 42 46 843 einen Anwalt (RA Florian Schneider). Der ruft noch am Ostersonntagvormittag in einer der Polizeiinspektionen an und will die Tochter sprechen, die sich gemeldet hatte. Doch auch der Anwalt wird abgewiesen.
Jeder Kontakt zu den Inhaftierten wird verweigert.
Begründung Corona, was sonst. Die versauten uns die Polizeistation mit ihrem Virus, heißt es. Dann müßten wir ja die ganze PI desinfizieren, wie soll das denn gehen, heißt es! Grundrechte nach Gutdünken der Polizei. Und außerdem: Wer sich bei der Verhaftung, nein, der Ingewahrsamnahme, so aufführt, wie die vier Familienangehörigen, der hat alle seine Rechte verwirkt. Das haben sie davon, so denkt die Polizei wohl. Die kriegen nicht nur keine warme Decke in der kalten Knastzelle, die brauchen auch keinen Anwalt!
In Bayern heißt Gewahrsam nach PAG wohl deshalb einfach Grundrechte adé!
Es ist nun Sache des Verwaltungsgerichts, derartige Vorgehensweisen aufzuarbeiten und der Familie zu ihren Rechten zu verhelfen. Und der (nun ehemalige) Lebensgefährte der Frau wird sich vor dem Staatsanwalt verantworten müssen wegen seiner zahllosen Straftaten, die er (und nicht etwa seine ehemalige Lebensgefährtin und deren Kinder) begangen hat.
Der eigentliche Übeltäter hatte trotz seiner vielen Verstöße gegen die Quarantäne keinerlei Gewahrsam nach PAG zu erleiden, ihm droht aber jetzt eine erhebliche Freiheitsstrafe wegen zahlloser Delikte.
Er hat sich strafbar gemacht nicht nur wegen des Messerangriffs auf die älteste Tochter, – also wegen gefährlicher Körperverletzung. Er hat sich auch wegen falscher Verdächtigung und mittelbarer Freiheitsberaubung strafbar gemacht. Zu allem Überfluß konnte er es außerdem nicht lassen, sich an der Not seiner Freundin und ihrer Kinder an Karsamstag zu weiden. Er drehte rechtswidrigerweise mit dem Handy Videos von der Ingewahrsamnahme an Karsamstagabend. Und stellte die danach ins Internet, um die Vier schlecht zu machen und der Lächerlichkeit preiszugeben. Auch dies wieder mehrere Straftaten gleichzeitig.